Göttingen. Am Dienstag, den 4. Februar, hat die Straßensozialarbeit (Straso) des Diakonieverbandes Göttingen zum 5. Mal in ihren Räumlichkeiten in der Tilsiter Straße 2A einen kostenlosen Haarschnitt angeboten. Friseurin Nicole Schlamelcher aus dem Göttinger Salon Friseur Paul begleitet die Aktion bereits von Beginn an. Ihre Dienstleistung wird durch Spenden des Kooperationspartners Rotary-Club Göttingen-Hann. Münden bezahlt. Für die Besucherinnen und Besucher der Straso ist sie kostenlos. „Trinkgeld bekomme ich bei meinen Außeneinsätzen in der JVA, einem Pflegeheim für Demenzkranke oder eben hier bei der Straso selten“, erklärt Schlamelcher. Ein Dankeschön oder eine herzliche Umarmung, wie bei ihren Straso-Kunden, sei aber mindestens genauso schön, so die fünffache Mutter.
Für diejenigen, die ihre Dienstleistung nutzen ist der Friseurbesuch mehr als nur Haare schneiden. Es geht nicht nur um eine Verbesserung des Aussehens, sondern auch um Wertschätzung. Torsten, der seit rund sechs Jahren regelmäßig verschiedene Angebote der Straso nutzt, habe beim Haare schneiden „loslassen können“. Es sei schöner ein Tag gewesen, an dem er sich seit langem mal wieder richtig wohlgefühlt habe. Der 48-Jährige war von einem Streetworker im Cheltenhampark gefunden worden. Nach mehreren Sterbefällen in der Familie und der Trennung von seiner Frau und seinen Kindern, spielte der Alkohol eine immer größere Rolle in seinem Leben. Die Straso und besonders sein „Betreuer“, wie er Straso-Leiter Mike Wacker nennt, hätten ihm geholfen wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Größere Menschenansammlungen machten ihm zwar immer noch Angst und auch das Alkoholproblem habe sich noch nicht in Luft aufgelöst, aber immerhin schlafe er jetzt nicht mehr auf der Straße. Viel mehr als ein Zelt hat auch James nicht. Der 40-Jährige Deutschamerikaner brauchte nach einem Burnout eine Auszeit. Er beschloss nur mit Zelt und Rucksack von Zürich aus über die Alpen zu wandern. Nach acht Monaten ist er in Göttingen gelandet und möchte hier auch bleiben. Noch schläft er im Zelt, aber er bekommt durch die Straso Hilfe bei der Wohnungssuche und Behördengängen und plant bald wieder zu arbeiten. Zunächst einen Halbtagsjob, vielleicht als Postbote, später könne er sich auch vorstellen wieder in seinem alten Beruf als Lehrer zu arbeiten. Die Friseur-Aktion kommt bei James genau zum richtigen Zeitpunkt, denn diese Woche muss er noch neue Passbilder machen.
Die Friseur-Aktion der Straßensozialarbeit findet seit April 2019 regelmäßig alle drei Monate statt. Eine Fortsetzung ist für Mai 2020 geplant.
Text: Jeanine Rudat
Text: Jeanine Rudat